Gisela Hopfmiiller



Gianni Menotti, einer der bekanntesten Önologen Italiens, erzählt über seine Philosophie als Weinmacher, die Zusammenarbeit mit Winzern und über die Zukunft friulanischer Weine.

Gianni Menotti, Jahrgang 1955, geboren in Sagrado bei Gorizia (Friaul), hat an der Universität von Padua Agrarwissenschaften studiert und dann den Weg als Önologe eingeschlagen. 2006 wurde er vom "Slow Food" Weinführer "Gambero Rosso" zum besten Onologen Italiens gekürt, 2012 bekam er den "Oscar del Vino" als bester Önologe des Jahres. Die unter seinen Fittichen erzeugten Weine wurden und werden regelmäßig mit "Drei Gläsern", "Funf Trauben ", Kronen, Veronelli-Sternen etc. bedacht. 23 Jahre lang war er für die Weine des Weingutes Villa Russiz in Capriva del Friuli (Collio) verantwortlich, wo zuvor schon 35 Jahre lang sein Vater Weinmacher war und Gianni zwischen Weinreben und im Weinkeller aufwuchs. Seit 2011 ist er als freier Önologe tätig und berät derzeit acht Winzer im Friaul, außerdem auch Weingüter in der slowenischen Brda, im Veneto, in der Toskana, der Basilikata und in Sardinien.

Wie ist Ihre Philosophie des Weinmachens?
Ich will die Botschaft, die Sprache der Natur verstehen und interpretieren. Man darf nie die Weine standardisieren. Weine müssen immer leicht verständlich sein. Nie kantig, sondern rund.
Die Technik muss immer das Terroir respektieren, sie darf nie übertrieben und invasiv sein. Sie muss versuchen, den territorialen Stil zu unterstützen.

Können Sie Ihre Arbeit mit den verschiedenen Winzern ein bisschen beschreiben?
Ich schaue mir an, was bisher gemacht wurde, was aus meiner Sicht richtig oder falsch ist. Dann überlege ich mir, wie der Wein des jeweiligen Betriebes den Markt erobern könnte, degustiere vergleichbare Weine und versuche aus dem, was ich daraus ableite, den Wein zu entwickeln. Das hat viel mit Instinkt zu tun, man muss die kritischen Punkte herausfinden. Natürlich beginnt die Arbeit im Weingarten. Wenn die Trauben nicht perfekt sind, kann man keine großen Weine machen. Nötig ist auch die richtige Reife. Entsprechend dem Weinjahr geht es darum, etwaige Schäden zu begrenzeno Fur einen großen Wein ist das die Voraussetzung, da kann man im Keller nichts reparieren. Für einen einfachen, banalen Wein geht das, sonst nicht. Ich unterstüze den Winzer bei seiner Arbeit dahingehend. Ein Wein ist ein Mosaik. Man sieht oft ein Bild, aber für die Perfektion fehlen einzelne Steinchen. Die versuche ich einzusetzeno

Perfektion ist das Um und Auf Für Sie?
Sie ist fundamental. Es geht um das Reduzieren von Irrtümern. Wer weniger Fehler macht, gewinnt.

Lernen Sie umgekehrt auch von Winzern, mit denen Sie arbeiten?
Immer! Viele Dinge! So funktion iert die Zusammenarbeit.

Das Klima ündert sich, die Vegetationsphase der Reben wird kürzer. Was bedeuten solche Anderungen für die Weine?
Das ist ein ganz wichtiges Thema! Es geht darum, die Pflanzen anzupassen, schon bei der Veredelung. Technische Fehler müssen vermieden werden. Immer relevanter wird, wo in Zukunft welcher Weingarten angelegt wird. Es geht genauso um die heiklen Fragen des Lesezeitpunkts, da gilt es, jedes Jahr neue, angepasste Entscheidungen zu treffen.

Kann das auch bedeuten, dass die Weißwein-Region Friaul sich mehr in Richtung Rotwein entwickelt?
Das ist möglich, aber es gibt dabei sehr viel zu bedenken. Zum Beispiel: Die für den Rotwein gut passenden heißen Sommer sind zuletzt in Herbst-Phasen mit viel Regen gemündet. Das ist für die Rotweine natürlich schlecht und bedeutet, dass es Lesezeitpunkte geben muss, die vor solchen RegenPhasen liegen. Trotzdem muss die richtige Reife erreicht werden, um die angestrebte Qualität zu bekommen.

Wie sehen Sie die Zukunft der autochthonen Weine im Friaul?
Werden sie den ausländischen Markt erobern konnen?
Zukunft haben sicher der Refosco, der Pignolo, der Terrano, auch der Picolit. Aber wenn ein autochthoner Wein bis jetzt keine große Entwicklung gemacht hat, dann hat das einen Grund. Der Tazzelenghe zum Beispiel ist sehr interessant, aber es ist ein harter Wein, mit vielen Tanninen, das macht es für ihn am Markt nicht leichter.

Welche Sorten mögen Sie persönlich am liebsten?
Den Sauvignon, den Malvasia. Der ist zwar sehr schwierig zu vinifizieren, er ist sehr heikel, aber es ist ein wunderbarer Wein. Und der Merlot ist für mich die großartigste Rotwein-Sorte der Welt.

Und der Picolit? Über den haben Sie ja Ihre Doktorarbeit geschrieben!
Ja, unter den Süßweinen ist auch der Picolit etwas Besonderes!

In Österreich gibt es dank einiger engagierter Winzer ein Revival des Gemischten Satzes. Da wurde eine Tradition wiederbelebt. Der "uvaggio" ist in Italien lang nicht so gefragt.
Es wäre schön, wenn alle sich bemühten, aus dem "uvaggio" eine Marke - einen "vino del territorio", einen Wein des Territoriums - zu machen. Aber das versuchen nur einige wenige, jeweils aus ihrem ganz persönlichen Interesse. Übrigens noch zu den Sorten, die ich besonders mag: Dazu gehört auch der Rheinriesling. Und die Entwicklung des Grünen Veltliners in Österreich erinnert mich an die des Tocai Friulano bei uns: Als einfacher Wein war er immer wichtig für die Region, jetzt steigt die Qualität immer weiter an.

Wie kann es gelingen, einen Wein zum Mythos zu machen, so wie es in der Toskana dem im Februar verstorbenen Önologen Giacomo Tachis mit dem Sassicaia gelungen ist? Er wurde ja "Konig der Önologen" genannt. Was konnte man von ihm lernen?
Es gibt kein Rezept, einen Mythos-Wein zu schaffen. Aber es gibt die Sensibilität dem Territorium gegenüber, verbunden mit Neugier als Hauptsache. Heute fehlt immer mehr das Bewusstsein dafür, was ein Mythos ist. Vor der Wirtschaftskrise war das Interesse dafür noch da, jetzt regiert oft nur noch der Preis. Kaum wer sucht noch Weine mit Mythos. Giacomo Tachis war mein erstes Vorbild, der erste Meister, dem ich gefolgt bin, auch wenn ich ihn nicht persönlich kennenlernen konnte. Er war außerordentlich, sehr praktisch, direkt und doch sehr sensibel. Weinmachen ist immer Emotion. Nur so kann man einen Wein zum Mythos werden lassen. Tachis ist gestorben, aber ein Mythos endet nie.

Was bewirken eigentlich die vielen verschiedenen Wein-Fuhrer?
Die leisten einen großen Beitrag zur Entwicklung der Weine. Sie dürfen nur nicht in die Kompetenz des Winzers eingreifen wollen. Und es geht immer um Qualität. Qualität ist ein absoluter Wert, kein relativer.

Wie sehen Sie biologische Weine?
Jeder muss seine Räume finden. Ich respektiere das. Wichtig ist, dass es keine Entwicklung zum Negativen, zu minderer Quälitat gibt.

Gilt das auch fur die Mode des "Orange Wine"?
Jeder will anders sein. Aber eigene Linien zu ziehen, durch die man in zu kleine Bereiche geht, ist riskant. Die Zeit wird zeigen, ob der Weg richtig ist.

Sie interessiert dieser Weg nicht?
Ich will das nicht machen.

Wie sehen Sie die Zukunft des friulanischen Weines?
Weinmachen hier im Friaul scheint einfacher als anderswo, denn das Basismaterial ist großartig und man bräuchte nur die Natur das Ihre tun lassen. Aber die Schwierigkeit besteht darin, den Dialog mit der Natur zu führen . Ich bin überzeugt, dass wir unschlagbar sind, wenn wir alle zusammenstehen im Bemühen um die Erkennbarkeit des Territoriums. Aber wir müssen sehr aufpassen, dass die Region nicht an Faszination verliert.

Und Ihre eigene Zukunft?
Immer dazulernen und meinen eigenen Stil des Weinmachens pftegen. Das ist das Wichtigste: Eleganza, complessità, equilibrio. Eleganz, Komplexität, Ausgeglichenheit.

 

Wein Pur Marzo 2016